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Verlorene Heimat

Flucht und Vertreibung ; Hitlers Krieg und die Folgen
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Jahr: 2023
Verlag: Hamburg, Spiegel Verlag
Reihe: Der Spiegel : Geschichte; 6/2023
Mediengruppe: Sachbuch
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Inhalt

Rund 14 Millionen Deutsche verloren am Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat: Im Winter 1944/45 packten sie ihre Sachen und flüchteten aus den deutschen »Ostgebieten« in Richtung Westen, um der anrückenden Roten Armee zu entkommen. Oft erlebten sie auf der Flucht Grausames, Gewalt, Tod, Schrecken, oft waren Frauen und Kinder allein unterwegs, weil die Männer noch an der Front kämpften. Nicht alle kamen schließlich an.
 
»Man gab uns eine halbe Stunde Zeit zum Packen«, erinnerte sich etwa Norbert S., der mit seiner Familie aus dem Sudetenland fliehen musste. Solche persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen kommen in dem Heft ausführlich zur Sprache . Aber auch weniger bekannte Aspekte thematisiert das Heft.
So strandeten bis zu 250.000 deutsche Flüchtlinge in Dänemark, wo sie in Lagern interniert wurden. Bis heute diskutiert das Land, ob die Behandlung unmenschlich war. Katja Iken war im neuen Museum Flugt im dänischen Oksbøl und hat zwei Zeitzeugen getroffen, die als Kinder die Lager erlebt haben, und erzählen, wie sie den Umgang mit den Flüchtlingen heute sehen.
Felix Bohr ist nach Masuren gereist und hat dort Alfred Czesla getroffen. Seine Eltern starben, als er ein Säugling war. Als die Deutschen aus der Region flohen, blieb er zurück und wuchs in Waisenhäusern auf, in denen er nicht Deutsch sprechen durfte. Czesla, heute 78 Jahre alt, verbrachte sein ganzes Leben in Polen – doch er fühlt sich bis heute auch deutsch .
Wie schwer es war, die Heimat hinter sich zu lassen und im Nachkriegsdeutschland neu anzufangen, wird an der Biografie der Publizistin Marion Gräfin Dönhoff deutlich. Sie trauerte um das, was sie verloren hatte, ihr war klar, dass Versöhnung mit Polen nur durch Verzicht auf die Wiedergewinnung der einst deutschen »Ostgebiete« zu erreichen war – und haderte dennoch mit der Ostpolitik Willy Brandts. Mit ihrer Position machte sie sich in der frühen Bundesrepublik allerdings viele Gegner.
 
In der DDR hingegen gab es keine Vertriebenen. Sie wurden »Umsiedler« genannt – und damit unsichtbar gemacht. Offiziell sollten sie nicht über ihre Erfahrungen sprechen, Versammlungen wurden verboten. Welche Folgen das für die Gesellschaft hatte, hat Solveig Grothe, die zusammen mit Felix Bohr das Heft konzipiert hat, hier aufgeschrieben.
Uns war es wichtig, die Flucht und Vertreibung der Deutschen auch in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Denn natürlich hatte die Vertreibung eine Vorgeschichte – zu der die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Europa gehörte.
Deutlich wird das zum Beispiel an der Biografie des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Er wurde als Kind deutscher Siedler in Polen geboren. Damit diese sich in Polen niederlassen konnten, hatte die SS zuvor Zehntausende Polen vertrieben. »Ich möchte hier eine blonde Provinz schaffen«, erklärte SS-Reichsführer Heinrich Himmler seine Pläne. Bei einem Besuch in seinem Herkunftsort sagte Bundespräsident Köhler später: »Ich war kein Täter, aber ich weiß um die deutsche Schuld und die daraus erwachsene Verantwortung für Deutsche bis zum heutigen Tag.«
Die britische Historikerin Mary Fulbrook, eine hervorragende Kennerin deutscher Geschichte, formuliert es in einem Essay sogar noch härter: »Nur wenige Deutsche in den Ostgebieten blieben völlig unschuldig.« Sie hält es deshalb für elementar, den weiteren Kontext der Vertreibungen noch genauer in den Blick zu nehmen.
Dazu gehört auch, dass die Deutschen nicht als einzige ethnische Gruppe am Ende des Kriegs zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen wurden. Die Vorstellung ethnisch homogener Staaten war damals verbreitet. In Polen zum Beispiel wurden auch die Minderheiten der Lemken und Bojken zwangsumgesiedelt, die als Gefahr wahrgenommen wurden .
 
Ob man aus den Erfahrungen der Vertriebenen für den heutigen Umgang mit Geflüchteten etwas lernen kann, hat mein Kollege Christoph Gunkel in Espelkamp recherchiert: Die Stadt in Ostwestfalen wurde als Modellprojekt nach dem Krieg von Vertriebenen aufgebaut – und ist von dieser Identität bis heute geprägt.
Wie wichtig die Aufarbeitung und das Wissen um die Fluchtgeschichten auch für die gesamte Gesellschaft ist, betont die Soziologin Uta Rüchel. Sie meint: »Nur wer sich gut beheimatet und zugehörig fühlt, ist nach außen offen für Veränderungen.« Und gut beheimatet, also wirklich »angekommen«, fühle man sich nur dann, wenn man seine Lebensgeschichte erzählen könne, damit nicht gleich bewertet oder beurteilt werde, sagt sie im Interview .
Vielleicht helfen beim Erzählen in den Familien die »Rezepte mit Tradition« von Königsberger Klopsen bis zu Schlesischen Mohnklößen , deren Herkunft und Zubereitung die Autorin und Köchin Verena Lugert erklärt.

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Details

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Jahr: 2023
Verlag: Hamburg, Spiegel Verlag
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Systematik: Suche nach dieser Systematik Emp 618
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Beschreibung: 146 S.
Reihe: Der Spiegel : Geschichte; 6/2023
Schlagwörter: Vertreibung; Schlesien; Polen; Ostwestfalen; DDR; Nationalsozialismus; Finnland
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Sprache: Deutsch
Mediengruppe: Sachbuch